Heterogenität/Diversity und Diskriminierung

Material zusammengestellt von F. Hellwig

Dieses Material dient der Einführung in das Thema "Heterogenität", hier mit dem speziellen Fokus auf Diskriminierung. Es besteht aus vier Videos mit einer gesamten Länge von ca. 25 Minuten. Zwischen den Videos eingestreut befinden sich in den grauen Feldern optionale Zusatzmaterialien, vor allem kurze Beschreibungen empirischer Studien in Textform. Diese sind zum Verständnis der Videos nicht nötig, ergänzen diese jedoch. Tipps zum Weiterlesen befinden sich am Ende.

Für diejenigen, die nur die Videos sehen möchten:

Optionaler Test: Wer bin ich?

Sie finden im folgenden einige Aussagen. Lesen Sie jede Aussage und kreuzen Sie diejenigen an, die auf Sie zutreffen. Sie müssen nicht lange überlegen, entscheiden Sie einfach aus dem Bauch heraus.

(Hinweis: Ihre Antworten werden nicht gespeichert oder an einen Server übermittelt und sind nur für Sie sichtbar.)

Heterogenitätsbegriff

Studie: Max oder Murat?

In dieser Studie sollten Lehramtsstudierende Diktate von fiktiven 8-Jährigen Jungen bewerten. Die Diktate waren dabei als entweder von „Max“ oder von „Murat“ geschrieben gekennzeichnet, untersucht werden sollte der Einfluss von Stereotypen gegenüber Kindern mit Migrationshintergrund auf die Bewertung. Die Studierenden sollten dazu die Fehler im Diktat zählen und eine Note vergeben. Die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Für die Anzahl an Fehler, die gezählt wurden, spielte es keine Rolle, ob beim Kind ein Migrationshintergrund vermutet wurde oder nicht.
  • Bei der Notenvergabe hingegen wurde ein statistisch signifikanter Unterschied festgestellt, nachdem einem Kind namens „Max“ statistisch häufiger eine bessere Note verliehen wurde als dem Kind „Murat“ mit vermeintlichem Migrationshintergrund.

Bonefeld, M. & Dickhäuser, O. (2018). (Biased) Grading of Students’ Performance: Students’ Names, Performance Level, and Implicit Attitudes. Frontiers in Psychology, 9, 428.

Umgang mit Heterogenität

Studie: Draw A Scientist

Beim Draw-A-Scientist-Test werden Kinder aufgefordert, Bilder von Wissenschaftler*innen (im Englischen geschlechtsneutral „scientist“) zu malen. In einer Metastudie wurden 20000 solcher Bilder, entstanden zwischen 1966 und 2016, unter anderem danach analysiert, ob Frauen oder Männer gemalt wurden. Die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Bis 1977 malten lediglich 0,6% der Kinder Frauen
  • Bis 2016 war dieser Anteil auf 28% angestiegen. Dabei werden Frauen vor allem von Mädchen gezeichnet, Jungen zeichnen immer noch meistens Männer.
  • Heutzutage zeigen sich jedoch noch große Unterschiede je nach Alter der Kinder: 5- bis 8-Jährige zeichnen zu etwa 50% Frauen, 14- bis 15-Jährige nur noch 25%.

Miller, D. I./ Nolla, K. M. /Eagly, A. H. & Uttal, D. H. (2018). The Development of Children’s Gender-Science Stereotypes: A Meta-analysis of 5 Decades of U. S. Draw-A-Scientist Studies. Child Development, 89 (6), 1943–1955.

Zusammenfassung in: MINT Nachwuchsbarometer 2019

Bilder von https://mappingignorance.org/2016/12/19/draw-a-scientist/

Studie: Mädchen und Jungen in Physik

Hier sind einige Statistiken und Studien zum Thema Gender in Physik zusammengefasst:

  • Fähigkeitsselbstkonzepte: In der IQB-Studie 2012 stellte sich heraus, dass trotz fachlich mindestens gleicher Kompetenzen der Schülerinnen in Physik (in Kompetenz Erkenntnisgewinnung hatten die Mädchen sogar einen Vorsprung) Jungen interessierter sind und sich selbst höher einschätzen: 44% der Jungen haben ein hohes Selbstkonzept in Physik gegenüber 21% der Mädchen.

    Pant, H.A., Stanat, P., Schroeders, U., Roppelt, A., Siegle, T. & Pöhlmann, C. (Hrsg.). IQB-Ländervergleich 2012: Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I. Waxmann, New York, 2013.

  • Anzahl Physikstudierender: Im Wintersemester 2018/19 waren in Deutschland 36 085 männliche Studenten im Fach Physik eingeschrieben, aber nur 14 991 Studentinnen.

    Statistisches Bundesamt, Ergebnis 21311-0003.

  • Repräsentation in Physikschulbüchern: In einer Untersuchung von 10 aktuellen Physikbüchern wurde festgestellt, dass sowohl in Abbildungen (Diagramm links) als auch in Texten (Diagramm rechts) deutlich häufiger Jungen als Mädchen vorkommen. Berühmte Physiker, die abgebildet oder in Texten genannt wurden, waren ausschließlich männlich.

    Strahl, Alexander & Jaromin, J. & Müller, Rainer. (2014). Gender in Physik-Schulbüchern - Entwicklung eines Codierschemas und Anwendung auf zehn Schulbücher. PhyDid B - Didaktik der Physik - Beiträge zur DPG-Frühjahrstagung.

  • Assoziationen mit dem Fach Physik: In einer Studie wurde festgestellt, dass Schüler*innen das Fach „Physik“ eher mit den Konzepten „schwierig“ und „männlich“ assoziieren, etwa im Vergleich mit dem Fach Englisch. Außerdem Physik eher als Fach gesehen, in dem man seine eigenen Ideen und sich selbst nicht ausdrücken könne.

    Kessels, U., Rau, M. & Hannover, B. (2006), What goes well with physics? Measuring and altering the image of science. British Journal of Educational Psychology, 76: 761-780.

Diskriminierung

Studie: Stereotypenbedrohung

Stereotypenbedrohung bedeutet, dass die Angst, einem gewissen Stereotyp zu entsprechen zu einer kognitiven Belastung wird. Das eigentliche Lernen kann dann nicht mehr so effektiv stattfinden, die Leistung wird schlechter und die Bedrohung wurde zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Untersucht wurde dies beispielsweise in zwei Studien in Bezug auf Sexismus und Rassismus. Die Studien und Ergebnisse kurz zusammengefasst:

In erstgenannter Studie wurden zwei Gruppen mathematisch leistungsstarker Studierenden der Stanford-Universität ein schwieriger Mathematik-Test vorgelegt. Dabei wurde der ersten Gruppe vorher gesagt, bei diesem Test hätten bis jetzt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Leistungen festgestellt werden können. Der zweiten Gruppe wurde genau das Gegenteil gesagt, nämlich dass Frauen und Männern häufig unterschiedlich gut abschneiden würden. In der ersten Gruppe schnitten dann Frauen und Männer auch etwa gleich gut ab. In der zweiten Gruppe hingegen schnitten Frauen deutlich schlechter ab, Männer hingegen besser.

In einer weiteren Studie bearbeiteten Studierende einen Sprachtest. Dabei füllte ein Teil vor der Bearbeitung einen demographischen Fragebogen aus, auf dem auch erfasst wurde, ob sie Schwarz oderweiß seien. Dies entspricht einem Priming, d.h. einer Aktivierung einer Assoziation, die unbewusst die Verarbeitung weiterer Reize beeinflussen kann. In diesem Fall trat genau dies ein: ohne Priming (d.h. ohne Ausfüllen des Fragebogens) schnitten Schwarze und weiße Studierende etwa gleich gut ab. Mit Priming hingegen schnitt die Gruppe der Schwarzen Studierenden deutlich schlechter ab.

Spencer, S. J., Steele, C. M., & Quinn, D. M. (1999). Stereotype threat and women's math performance. Journal of Experimental Social Psychology, 35, 4-28.

Steele, C. M. (1997). A threat in the air. How stereotypes shape intellectual identity and performance. American Psychologist, 52, 613–629.

Studie: Geometrie oder Zeichnen?

In dieser Studie sollten Gruppen französischer Kinder im Alter von 11-13 Jahren eine zuvor für eine kurze Zeit vorgelegte geometrische Figur aus dem Kopf nachzeichnen. Diese Aufgabe wurde einigen Gruppen als eine mathematische, nämlich Geometrie-Aufgabe beschrieben. Den anderen wurde sie als zeichnerische, also Kunst-Aufgabe dargestellt. Die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Wurde die Aufgabe für eine mathematische gehalten, schnitten die Mädchen signifikant schlechter ab als die Jungen. Dieser Effekt war deutlich größer, wenn die Kinder in gemischtgeschlechtlichen Gruppen arbeiteten.
  • Dachten die Kinder, die Aufgabe wäre ein rein zeichnerische, schnitten die Mädchen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen deutlich besser, in geschlechtshomogenen mindestens genauso gut ab wie die Jungen.

Huguet, Pascal & Regner, Isabelle. (2007). Stereotype Threat Among School Girls in Quasi-Ordinary Classroom Circumstances. Journal of Educational Psychology, 99(3), 545–560.

Auswertung des Tests: Was sind Ihre Privilegien?

Beim einführenden Test oben (gekürzte und modifizierte Variante des Privilegientests von Katharina Debus) haben Sie wahrscheinlich einige Aussagen angekreuzt. Jede Aussage ist dabei ein Indiz (natürlich kein Beweis) für ein Privileg, das Sie besitzen. Alle Aussagen sind typisch für eine oder mehrere Diskriminierungsformen, es sind Aussagen, die viele Betroffene jeweils genau nicht ankreuzen würden. Dabei gilt, wie im Video erklärt: Privileg bedeutet nicht, dass sie keine Hindernisse überwinden mussten. Privileg bedeutet auch nicht, dass sie es gewollt haben oder nutzen möchten.

Im Folgenden finden Sie noch ein sehr anschauliches Video über ein "Privilegienrennen", das die Wirkungsweise von Privilegien sehr gut veranschaulicht.

Studie: IGLU

Die IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) untersucht die Lesekompetenz von Kindern der 4. Klasse. Ein wichtiges Ergebnis dieser Untersuchung ist die Aufdeckung der Auswirkungen sozialer Ungleichheiten auf die Leseleistungen. Die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Es zeigt sich eine deutliche Differenz von Kindern aus Familien mit geringen Bildungsabschlüssen und wenig Büchern im Haushalt im Vergleich zu Kindern aus Familien mit höheren Bildungsabschlüssen und vielen Büchern im Haushalt. Auch Kinder aus armutsgefährdeten Familien besitzen eine deutlich niedrigere Lesekompetenz als diejenigen aus nicht armutsgefährdeten Elternhäusern.
  • Diese Differenzen sind im Vergleich zur vorigen IGLU-Studie 2011 noch größer geworden. Deutschland liegt damit im internationalen Vergleich unter den vier Staaten mit den gravierendsten Auswirkungen sozialer Herkunft auf die Lesekompetenz.
  • Es gibt einen hohen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft der Schüler*innen und angestrebter Schullaufbahn. Die Chance von Kindern aus bildungsnahen Familien auf eine Gymnasialempfehlung ist bei gleichen Leistungen im Lesetest deutlich höher als die von Kindern aus bildungsfernen Familien.

Hußmann, A., Wendt, H., Bos, W., Bremerich-Vos, A., Kasper, D., Lankes, E., McElvany, N., Stubbe, T.C. & Valtin, R. (Hrsg.). IGLU 2016: Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Waxmann, Münster, 2017.

Handlungsmöglichkeiten

Studie: Berufsbezeichnungen

In dieser Studie wurden Grundschulkindern Berufsbezeichnungen genannt, entweder mit dem generischen Maskulinum („Astronauten“) oder in Paarform („Astronautinnen und Astronauten“). Die genannten Berufe umfassten typisch männliche, typisch weibliche und eher geschlechtsneutral besetzte. Anschließend wurden den Kindern Fragen zum Einkommen und zur Wichtigkeit des jeweiligen Berufes gestellt. Außerdem sollten sie einschätzen, ob sie als Erwachsene in der Lage sein würden, diesen Beruf auszuüben (Selbstwirksamkeitserwartung). Die Ergebnisse kurz zusammengefasst:

  • Für typisch männliche Berufe schätzten die Kinder, vor allem die Jungen, das Einkommen bei Nennung des Berufes in Paarform schlechter ein als wenn das generische Maskulinum verwendet wurde. Bei geschlechtneutral oder weiblich assoziierten Berufen wurde dies nicht beobachtet.
  • Männliche Berufe wurden als schwieriger und wichtiger eingeschätzt, wenn sie im generischen Maskulinum präsentiert wurden im Vergleich dazu, wenn sie in Paarform genannt wurden.
  • Mädchen trauten sich stereotyp männliche Berufe insgesamt seltener zu als Jungen. Wurde allerdings in der Berufsbezeichnung die Paarform, also insbesondere auch die weibliche Form verwendet, glaubten alle Kinder eher, die nötige Kompetenz für diesen Beruf zu besitzen.

Vervecken, D. & Hannover, B. (2015). Yes I Can! Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children's Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-efficacy. Social Psychology 46(2), 76–92.

Literaturtipps und Downloads

Diskriminierung und Heterogenität in der Schule

Bücher und Broschüren: Webseiten:

Diskriminierungskritisches allgemein

Bücher:
  • Margarete Stokowski: Untenrum frei, Link
  • Tupoka Ogette: Exit Racism, Link
  • Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß, Link
  • Felicia Ewert: Trans. Frau. Sein. Link
  • Max Czollek: Desintegriert euch, Link
  • Mika Murstein: I’m a queerfeminist Cyborg, that’s okay, Link
  • Reyhan Şahin: Yalla, Feminismus! Link
  • Andreas Kemper, Heike Weinbach: Klassismus, Link
Podcasts:

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